WIE MAN IM PFLUG DEN BERG RUNTER KOMMT – ODER: MIT SAFETY FIRST IST MAN NICHT ERSTER IM TAL.

Skiurlaub – die Erste! Nach Jahren des Widerstandes habe ich es getan. Ich habe eingewilligt. Statt Urlaub in der Sonne gibt es nun erstmals Skiurlaub in den Bergen. Bisher vertrat ich vehement die Meinung, die paar Tage im Jahr habe auch ich als Mutter Urlaub. Ich will keine schreienden Kinder, denen vielleicht nach den ersten 30 Minuten im Ski-Kindergarten einfällt, dass diese Art der Fortbewegung anstrengender als bisher ist. Die Angst haben, den Anfängerhügel alias Berg unkontrolliert hinunterzujagen oder gar – nach minutenlangen Kampf in den Skianzug hinein – feststellen, jetzt doch noch einmal dringend auf die Toilette zu müssen. Dann doch lieber – statt der sperrigen, dicken Klamotten – die leichten Varianten hauptsächlich aber die Badesachen, in den Koffer packen und ab in die Sonne.

Soll heißen:

Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeiter können im Wettkampf um die Führung nicht länger steif auf die bewährte – Sicherheiten und Risiken abwägende – Vorgehensweise zurückgreifen.

Doch eben nicht dieses Jahr. Das neue Credo: Schnee – wir kommen. Und wehe, du bist nicht da oder es gibt viel zu viel von dir, so dass wir erst gar nicht bis zu unserem Ziel kommen – Klimawandel sei dank.

Aber, wir haben es geschafft. Die Kids sind glücklich, haben Bauchgrummeln und stehen mit erwartungsvollem Blick und professionell ausgestattet am Lift der Talstation. Auf geht´s. Und tatsächlich. Beide stellen sich – auch dank der wöchentlich minutiös abgestimmten Freizeitpläne, die diverse Sportaktivitäten berücksichtigen – ganz clever an.

SICHERHEIT VS. AGILITÄT

Mein Sohn eine Spur besser als meine Tochter. Das liegt aber tatsächlich an den körperlichen Gegebenheiten. Während er klein und kompakt ist, ist sie lang und schlaksig. Er bekommt das mit der richtigen Körperhaltung super schnell auf die Kette, sie kämpft noch mit der Koordination ihrer unglaublich langen Beine. Und so zeigt sich nach wenigen Tagen: er hat die Gruppe gewechselt und sowohl die rote Piste als auch erste Sprünge für sich entdeckt. Selbstverständlich mit den ein oder anderen Stürzen. Dadurch weiß er nun aber auch, wie er die Schanze besser anfährt und sie am Ende auch steht. Lernkurve 1a.

Sie dagegen fährt – nun nennen wir es mal: kontrolliert und definitiv langsam im Dinoland die blaue Piste im Pflug runter und ist stolz, am Tagesende zu berichten, dass sie nicht einmal gefallen ist. Leider hat sie aber auch weder an Geschwindigkeit zugelegt, noch ist sie vom Pflug in die parallele Fahrweise übergegangen. Sicher ist sicher.

Und wie so oft erkenne ich auch hierbei die Paralleln zu unserer heutigen, stark veränderten Arbeitswelt. Während die eine Firma auf Sicherheit bedacht ist, alle Unwägbarkeiten abwägt, Überlegungen und Vermutungen anstellt und versucht durch Kontrolle den Weg zum Ziel zu absolvieren, vertraut die andere Firma einfach auf die Gegebenheiten oder definiert sie für sich neu. Die Mitarbeiter sind hochmotiviert, bereit auch mal etwas zu wagen und Neues auszuprobieren. Sie gehen Risiken ein, haben Vertrauen in sich und ihr Können und werden dafür als Erste im Tal belohnt. Und warum überhaupt auf die anderen warten? Wer agil ist, sich flexibel an Gegegebenheiten anpasst, wird als erster im/am Ziel sein und dabei viel gelernt und sicherlich auch einiges auf dem Weg dahin optimiert haben. Ganz im Sinne eines besseren Gesamtpakets.

ERSTER SEIN. ABER SICHER.

Was ist nun besser? Wirtschaftlich betrachtet: Erster zu sein. Solange es bedeutet, im Ziel auch heil anzukommen. Dann ist alles gut. Ich habe aber auch viele Kinder in den Skischulen gesehen, die trotz viel Wagnis und scheinbar grenzenlosem jugendlichen Selbstvertrauen nicht heil oder gar nicht im Ziel ankamen. Zumindest nicht aus eigener Kraft und leider zu oft nur mit Hilfe von Sanitätern auf Motorschlitten. Genau hier ist es also für jedes Unternehmen wichtig, die richtigen Mitarbeiter auf die Piste zu schicken. Stichwort: War of Talents und richtiges Mitarbeiter-Recruitment.

Unser Sohn hat in dieser Beziehung seine großen Vorteile ausgespielt: eine absolut offene Einstellung gegenüber Neuem und die Fähigkeit, sich schnell adäquat anpassen zu können. Er versucht es, vertraut sich, begeht kleinere Fehler, lernt durch Iteration daraus und am wichtigsten, er passt sein Verhalten an – ohne die seit Jahren gelernten Gesetzte der Schwerkraft außer Acht zu lassen. Starke Lernkurve in kürzester Zeit und volle Zielerreichung in allen Punkten. Und damit das beste Beispiel für eine agile Herangehensweise.

Was heißt das für Unternehmen, die eher wie meine Tochter ticken? Sie müssen agiler werden, sie müssen sich aus der (bisher sicherlich hart erarbeiteten, aber auch gewohnten) Komfortzone bewegen, sie müssen sich trauen und den Mut haben, Fehler zu machen und dies auch zu dürfen, um daraus direkt zu lernen und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Sie müssen in ihren Entscheidungen schneller werden und darauf vertrauen, dass sie alles schaffen können, wenn sie nur wollen, es fachlich auch können und es dank echter Fehlerkultur auch dürfen. Das klingt – zugegebenermaßen – sehr simpel. Aber wie lernt ein Kind doch gleich noch einmal laufen? Von Fall zu Fall!

Wir können dies nun nennen wie wir wollen. Schicke Buzz-Words gibt es ja schließlich genug. Aber am Ende hat es ganz viel mit der Bereitschaft zu tun, sich zu engagieren und auf Neues einzulassen. Das wiederum hat sehr viel mit Motivation und Befähigung von „außen“ zu tun. Mit Führungskräften, die Sicherheit als Befähiger geben statt Rügen zu verteilen oder Schuldige zu suchen.

Märkte verändern sich. Das ist uns allen klar. Oft kommen marktfremde Unternehmen und übernehmen sicher geglaubte Bereiche. Also müssen “wir” etwas tun. Handlungsbedarf ist da. Es bedarf tiefgreifender Änderungen.

AGILITÄT. FÜR JEDES UNTERNEHMEN RICHTIG?

Seien Sie mit der für Sie passenden Herangehensweise der Erste im Ziel – glücklich, gesund und erfolgreich.

Aber Achtung. Eine Sache darf dabei nicht aus den Augen verloren werden: Beide Kinder hatten zu Beginn das gleiche Wissen von der Materie und denselben Skilehrer. Trotzdem fährt das eine Kind nun rote Piste und das andere das Dinoland. Die Erkenntnis: beide sind glücklich und unverletzt.

Nur weil jemand sagt, dass die agile Methode „XYZ“ nun das nächste, neue, große Ding ist und alle Unternehmen das für sich nutzen müssen, ist das eben nicht die Realität! Agilität ist weit mehr als Design Thinking, Digital Sprint, Scrum, Lean Startup oder Kanban. Ja, eine Methode hilft immer. Vor allem zu Beginn, wenn es um das Laufenlernen damit geht. Aber Augenmerk, gesunder Menschenverstand und Erfahrungswerte helfen oft schon zu verstehen, wann und wo ein solcher Einsatz für das jeweilige bzw. im jeweiligen Unternehmen sinnvoll ist.

Viel wichtiger als all das ist zu erkennen, wo die wahren Herausforderungen (manchmal auch als Probleme bezeichnet) liegen. Wie man sie am besten in Angriff nimmt und richtig einstellt, um sowohl glücklich als auch unverletzt und zügig – vielleicht sogar als Erster – im Ziel anzukommen.